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Alles Liebe zum Muttertag, liebe Mama!


Mein Apartment befindet sich im Dachgeschoss. Heute Morgen prasselte Regen auf das Dach und ich dachte so bei mir: Alles richtig gemacht, mit dem Ruhetag. Gegen 10 Uhr stand ich ausgeschlafen auf. Duschen, Zähneputzen - ich war bereit für 'nen cafe solo. Leider regnete es noch und auf einen Regenschirm hatte ich tatsächlich in meinem Rucksack verzichtet.

Gegen halb zwölf kam dann die Sonne raus und meinem Kaffee stand nix mehr im Wege.

Ich hatte von Paula - meiner Vermieterin - einen Link mit ein paar Tips in Pontevedra bekommen. Ich entschied mich für eine Croqueteria in der Nähe der Basilika. Es war nicht viel los. An der Bar saß eine Spanierin, die gerade ihren Kaffee ausgetrunken hatte und ging. Ich war somit der einzige Gast. So bekam ich die volle Aufmerksamkeit des Inhabers und wir kamen ins Gespräch. Sein Name ist Everaldo. Er ist Brasilianer und vor ca. 2 Jahren nach Spanien gekommen. Vor ca. fünf Monaten hatte er seine Croqueteria "El Crack" aufgemacht. Er war sehr sympathisch und man merkte, dass er seinen Job gern machte. Allerdings war er allein in der Bar. Es war schwer, gutes Personal zu finden, das diese Leidenschaft für die Gastronomie mitbringt, die eine Bar zu etwas macht, wo man sich irgendwie wohl fühlt. Everaldo hatte diese Leidenschaft. Ich nahm zwei Portionen gemischte Kroketten und sie schmeckten sehr gut. Sie waren mit Käse, Chorizo, Champignons, Thunfisch, Würstchen und allerlei anderer Sachen gefüllt. Dazu gab's einen Kaffee davor und einen danach und zwischendurch ein Bier. Perfekt!

Danach zog ich weiter durch Pontevedra. Als ich so über das Wandern oder Pilgern nachdachte, kam mir eine Geschichte aus meiner Zeit in Potsdam in den Sinn, als ich in der dortigen Bahnhofswache arbeitete. Die Sache liegt bestimmt schon 15 Jahre zurück.

Eines Tages klingelte ein Mann an der Tür der Wache. Er sah aus wie ein Obdachloser - ein bisschen ungepflegt und allerlei Krimskrams bei sich. Dazu einen großen Rucksack. Also vielleicht etwa so wie ich gerade. Meine älteren Kollegen kannten den Mann bereits - ich sah ihn zum ersten Mal. Der Mann lebte tatsächlich ohne Obdach - und das schon seit Jahren. Doch soweit man ihm glauben konnte, tat er das nicht aus der Not heraus, sondern entschloss sich bewusst dazu. Er hatte keinen festen Platz und zog in Deutschland und wohl auch in Europa umher. Bei sich führte er immer alles, was er hatte. Und dazu gehörte auch ein Aktenordner in Größe DIN A4. Diesen überreichte er mir und meinen Kollegen. In dem Ordner waren Eintragungen aus vielen Polizei- und Feuerwehrwachen aus ganz Deutschland und anderen europäischen Ländern. Mit den Eintragungen waren viele Glückwünsche verbunden. Meine Kollegen kannten dies bereits und so fertigten auch wir ein Blatt für seinen Ordner. Wir schrieben ihm ein paar nette Zeilen und alles Gute für seinen weiteren Weg auf. Dazu machten wir noch einen Stempel von unserer Dienststelle und klebten ein paar Bundespolizeiaufkleber dazu. Wir legten ein bisschen Geld zusammen, gaben einen Kaffee aus und so zog er wieder davon. Meine Kollegen sagten mir später, dass er ursprünglich irgendwo aus Niedersachsen bzw. Hannover kommen soll. Er reist so schon sehr lange und sammelt von überall, wo er ist, diese Wünsche in seinem Ordner. Wenn ein Ordner voll war, schickte er ihn zur Polizei nach Hannover und dort gäbe es wohl ein Regal, wo seine Ordner für ihn aufbewahrt werden. Keine Ahnung, ob dies wirklich so ist. Aber die Geschichte gefiel mir und den Typen gab es wirklich. Warum sollte nicht auch der Rest stimmen. Er schrieb also schon eine Art Reiseblog, als die heutigen Blogger noch mit der Trommel... na ihr wisst schon.

Ich machte mir später noch oft Gedanken über ihn. Wie das wohl ist, ohne zuhause und immer unterwegs. Diese Freiheit auf der einen - aber ohne Anker auf der anderen Seite. Jetzt bekomme ich vielleicht ein klitzekleines Gefühl davon. Und ich kann ihn ein Stück weit verstehen. Diese Freiheit ist wirklich schön. Und die Begegnungen, die man unweigerlich macht, sind super interessant. Aber ich schlafe nicht auf der Straße, sondern habe ein Apartment für mich. Und ich weiß, dass ich in ca. einer Woche auch wieder bei mir zuhause, bei meinen Freunden und meiner Familie bin. Ich bin dankbar, dass es so ist. Doch irgendwie hat mich trotz all der Schmerzen auch die Wanderlust gepackt. Und ich bin mir sicher, dass ich demnächst wieder losziehe.

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