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The secret of the motivation lolly

Ich startete etwas später als geplant gegen 9 Uhr. Das Tapen hatte etwas länger gedauert, doch ich war nicht in Eile. Ich hatte mir ja nur 16km vorgenommen und die sollten in knapp 4 Stunden erledigt sein. Ich legte das Geld für das Zimmer und den Schlüssel auf die Kommode. So war es mit Paula ausgemacht. Herrlich unkompliziert. Dann schloss ich die Tür und stiefelte Richtung Basilika.

In der selben Gasse, in der ich gestern den Griechen und die Amerikanerin getroffen hatte (Sorry, ich kenne ihre Namen nicht), liefen wir uns heute Morgen wieder über den Weg. Sie berichteten mir von ihrem tollen Frühstück und ich schaute etwas traurig auf die Packung Schokokekse in meiner Hand. Das war mein Frühstück. Ich meine, ich brauche nicht viel - aber ein Kaffee dazu wäre schon toll gewesen.

Der Himmel war bewölkt und es sah irgendwie nach Regen aus. Ich war zwar auf Sonne eingestellt, aber das Wetter störte mich nicht. So war es angenehm kühl. Nur der fehlende Kaffee wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Und einen Stempel hatte ich auch noch nicht. So hielt ich nach einem Café Ausschau. Doch alles hatte irgendwie noch geschlossen. Nachdem ich eine Brücke überquert hatte, wandelte sich die Szenerie in eine typische Vorstadt-Idylle.

Mir fiel auf, dass der Camino mittlerweile ziemlich voll geworden ist. Und es laufen mehr Pilger, die augenscheinlich den Gepäckservice nutzen. Ich sah viele, die nur mit einem klitzekleinen Rucksack unterwegs waren. So wie der Grieche und die Amerikanerin. Gerade genug, um etwas Proviant für den Weg, vielleicht einen Regenschirm und eine Kamera einzustecken. Die Krönung des "leichten Gepäcks" war allerdings ein Typ, der nicht einmal das bei sich trug. Er trug Turnschuhe, eine leichte Regenjacke und hatte lediglich eine Flasche Wasser in der Hand. Erst dachte ich, er wäre ein Einheimischer und geht - keine Ahnung - Brötchen holen, oder so. Doch als er an mir vorbei "schwebte" und er mir ein "Buen Camino" entgegnete, wurde mir bewusst, dass auch er nach Santiago geht. Naja - jeder geht halt seinen Camino.

Aufgrund des Trosses von Pilgern ist es nunmehr nahezu unmöglich, falsch zu gehen. Man muss sich nicht mal mehr an den Pfeilen orientieren. Einfach den Anderen folgen. Ich dachte so bei mir, wenn allerdings der Erste (vermutlich um halb sechs morgens) falsch gehen sollte, haben alle anderen ein kleines Problem. Also lieber doch ab und zu mal einen gelben Pfeil suchen :)

Irgendwann - weit hinter Pontevedra - kam ich dann tatsächlich an einem kleinen Pilgercafé vorbei. Den Anderen muss es wie mir gegangen sein, denn das Café war sehr gut besucht. Endlich bekam ich meinen Kaffee und meinen Stempel für heute. Ich nahm direkt einen doppelten Espresso. Erstens wollte ich mich nicht zweimal anstellen und wer weiß, wann es den nächsten Kaffee gab. Draußen im Garten traf ich Antje und Jasmin. Da es ziemlich voll war, setzte ich mich an ihren Tisch und wir kamen ins Gespräch. Beide sind Anwältinnen und leben im Norden an der Ostseeküste. Das passte - dachte ich so bei mir. Also mit dem Norden - die Anwältinnen hatte ich ihnen nicht angesehen. Nachdem wir unseren Kaffee ausgetrunken hatten, setzten wir den Weg gemeinsam fort. Sie gehen beide gemeinsam den Jakobsweg. Sie sind in Porto gestartet und dem Küstenweg gefolgt, bis man nach Valenca ins Landesinnere abbiegt. Im Anschluss an den Camino wollen sie noch mit dem Bus nach Finsterra und dann noch ein paar Tage nach Madrid.

Wir tauschten uns darüber aus, was wir so machen, wenn wir nicht gerade den Camino entlang pilgern. Dabei stellte ich für mich fest, dass ich mit meiner 41-Stundenwoche Öffentlicher Dienst doch ganz zufrieden sein kann - und auch sollte!

Wir erzählten uns von unseren Erlebnissen und Begegnungen auf dem Camino. Sie trafen gestern beispielsweise ein lustiges Pärchen aus Kanada, mit dem sie sehr lange gelaufen sind und viel Spaß hatten. Oder sie erzählten mir von einem ganz besonderen Stempel in ihrem Pilgerpass. Sie erhielten ihn in einem Kosmetikstudio in Portugal, als sie sich ein wenig Pflege gönnten. Ihnen war dies wohl eher etwas peinlich - ich fand die Geschichte sehr lustig. Auf jeden Fall haben sicher nicht viele Pilger diesen Stempel im Pass :D

Und so liefen sich die Kilometer weg. Irgendwann erreichten wir Briallos - mein eigentliches Etappenziel. Der Ort sah irgendwie nicht so einladend aus und wir waren gerade so gut im Erzählen, dass ich mich entschloss, mit ihnen weiter zu gehen. Meine Füße wurden in diese Entscheidungsfindung nicht eingebunden.

Kurz nach dem Örtchen überholte uns eine Gruppe. Plötzlich erschallte ein fröhliches "Hellooooo" und ich sah nur noch freudestrahlende Gesichter. In der Gruppe war auch das kanadische Pärchen von gestern - Leila und Tom.

Tom ist pensionierter Briefträger und er läuft den Camino mit seinen beiden Briefträgertaschen. Diese hängen links und rechts an seinen Schultern. Dazu noch ein kleiner Rucksack. Man merkte, dass er das Gehen gewohnt war. Über dreißig Jahre lang stellte er auf diese Weise - zu Fuß - Briefe zu. Und jetzt den Camino mit diesen Taschen zu gehen, hatte Stil. Es ist für ihn etwas Besonderes, dass er seine eigenen Sachen in den Taschen transportierte. Bisher trug er darin immer die Briefe anderer Menschen. Eine Art Sherpa - wie er mir verriet. Ich erzählte ihm von meinem Blog. Das fand er interessant und er verriet mir seine Idee, eine Art Essay nach seiner Rückkehr über die Reise und seine Taschen schreiben zu wollen. Da erzählte ich ihm die Geschichte von Bogdan's Wanderstock und er fand sie sehr interessant. Die Taschen trugen sogar noch die Aufschrift der kanadischen Post. Sehr cool!

Leila hatte es leider mit einer Erkältung erwischt und so war der Weg für sie doppelt schwer. Irgendwann fragte sie mich, ob ich "the magic lolly" kenne. Ich wusste nicht, was sie meinte. Dann holten Antje und Jasmin Lutscher aus ihren Taschen - nahmen jeweils einen und Leila auch und schon ging es mit neuer Energie voran. Keine Ahnung, woher die Dinger stammten und welche Zauberkraft ihnen innewohnt - aber es funktionierte und ohne es zu merken standen wir plötzlich in Caldas de Reis. Das bedeutete knapp 23 km an diesem Tag. So wurde mir das mystische Geheimnis der Motivationslutscher gewahr. 

Wir verabschiedeten uns voneinander, da alle in verschiedenen Unterkünften übernachteten. Auch ich buchte noch schnell ein Doppelzimmer für die Nacht. Caldas de Reis ist bekannt für seine Thermalquellen. An einer der Quellen traf ich nach dem Duschen auch Antje und Jasmin wieder und wir zogen gemeinsam durch die Stadt.

Später aßen wir noch gemeinsam in einer Bar in schöner Flußatmosphäre ein Pilgermenu, lernten dabei zwei ältere Damen aus Österreich kennen, tauchten unsere Füße ein weiteres Mal in die heiße Quelle und nahmen einen Gute-Nacht-Trunk bei der Penionsmama von Antje und Jasmin. Wiedermal ging ein sehr gelungener Tag zu Ende.

Von den anderen lustigen Drei habe ich auch Neuigkeiten. Alex ist nur noch zwölf Kilometer hinter mir. Sie schrieb, sie hätte jemanden getroffen, der mit ihr bis nach Finsterra geht -allerdings ein "bisschen schneller". Keine Ahnung, was das in ihre Welt heißt, aber ich denke, ich werde morgen nur einen kurzen Luftzug wahrnehmen und dann wird sie wohl an mir vorbei gerauscht sein. Schon mal jetzt "Buen Camino" - wenn mir das morgen zu schnell geht ;)

Karen und Sven treffen sich, wenn alles klappt, morgen in Pontevedra. Sven hat sein Knie tapen lassen und sich Wanderstöcke besorgt. So geht's wohl ganz gut.

Also alle wohlauf. Das klingt gut ich kann meinen Blog für heute (es ist jetzt ein Uhr) schließen. Schlaft gut!


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Kommentare: 5
  • #1

    Claudia (Dienstag, 15 Mai 2018 08:09)

    Hach das liest sich gut, mit viel Charme und Witz geschrieben.
    Außerdem spannend, weil ein unbekannter über meine Schwester schreibt. Ich wünsche euch schnell heilende Füße und immer ein kleines Abenteuer am Rande der Straße! Einen tollen Weg!!!

  • #2

    Moleculeman (Dienstag, 15 Mai 2018 22:07)

    Hey Claudia,
    vielen Dank für deinen lieben Kommentar. :) Hab mich sehr gefreut.
    Und noch Alles Gute zu deinem Geburtstag! ;)

  • #3

    Paps (Dienstag, 15 Mai 2018 22:55)

    Hallo Pilgerbursche, lese jeden Abend Deine Blog's und darf sie am nächsten Tag Mutti vorlesen. Freut mich, daß deine Reiseberichte schon weitere Leser gefunden hat. In wieviel Etappen willst Du denn den Rest schaffen? Wir wünschen Dir alles Gute für die letzten paar Meter :).

  • #4

    Claudia (Samstag, 19 Mai 2018 20:49)

    Vielen Dank für die Glückwünsche, die ich offensichtlich herzlich zurückgeben kann!! Viel Spaß beim Verarbeiten der Eindrücke �

  • #5

    Andreas (Mittwoch, 23 Mai 2018 15:13)

    Vielen lieben Dank für die Glückwünsche :) Das Verarbeiten dauert an... ;)