Ich habe vergangene Nacht so gut wie
gar nicht geschlafen. Ich hatte meinen Blog-Eintrag gegen Eins beendet. Dann alle Geräte an die Steckdosen stecken, nochmal auf’s Klo, Füße behandeln, Wecker auf 07:30 Uhr stellen. Gegen halb
zwei war ich bereit zum Schlafen. Dann lag ich wach. Irgendwie konnte ich nicht einzuschlafen. Zu allem Überfluss hörte ich auch noch ein Mückensummen neben meinem Ohr. Also Fenster zu, Licht an
und das Vieh suchen. An den weißen Wänden war sie gut auszumachen - ihr Pech. Gegen Morgen schlief ich endlich ein und durfte auch bald wieder aufstehen. Um 9 Uhr verließ ich das Zimmer und
stiefelte Richtung der Pension von Antje und Jasmin. Wir hatten uns zwanglos zum gemeinsamen Kaffee und Loslaufen verabredet. Die Beiden hatten gerade ihr Frühstück beendet und holten ihre
Rucksäcke aus den Zimmern. Zeit genug für einen Cafe Solo und einen frisch gepressten Orangensaft von „Mutti“. Als sie zurück waren gab es noch je einen Apfel für Mutti´s Lieblinge und es ging
los. Heutiges Ziel: Padron. Antje und Jasmin hatten vorgebucht - ich wollte es wieder auf gut Glück versuchen. Meine Füße fühlten sich sehr gut an. Vielleicht war es die Wirkung der heißen
Quellen.
In der Nacht kam mir der Gedanke,
wenn ich es heute tatsächlich bis Padron schaffen sollte, könnte ich am morgigen Tag Santiago erreichen. Dann würde ich an meinem Geburtstag auf dem Platz vor der Kathedrale
stehen.
Mir schien es irgendwie, als sollte
alles so sein. Die ganze Reihe von Ereignissen und Begegnungen, die seit meiner Landung in Porto passiert sind und einander bedingten, führte mich heute zu genau diesem Punkt. Mit diesem Gedanken
zog ich los.
Heute schien endlich mal die Sonne.
Jasmin und Antje waren entsprechend gelaunt und gekleidet - allerdings nicht eingecremt. Wenn das Mutti wüsste! :)
Ich ließ mich von der guten Laune
anstecken und wir zogen wieder durch herrlich grüne Wälder, kleine Dörfer und an Bächen vorbei. Wir kannten uns keine vierundzwanzig Stunden und dennoch war es irgendwie ein vertrautes Gefühl.
Wir sprachen über persönliche Gedanken und Gefühle.
Der Gedanke, dass dies bereits die
vorletzte Etappe sein soll und der Camino morgen mit Ankunft in Santiago de Compostela zu Ende sein wird, stimmten Antje und Jasmin ein wenig wehmütig. Antje erzählte, wie sie eigentlich nach dem
ersten Tag bereits keine Lust mehr hatte und nachhause wollte. Und nun dies. So hatte sich die Stimmung gewandelt. So hatte der Camino uns verwandelt. Und ich konnte beide ein Stück weit
verstehen. Doch irgendwie überwog das Gefühl der Dankbarkeit über die gewonnenen Erfahrungen und Begegnungen. Und im Moment waren wir ja gerade gemeinsam unterwegs. Also kein Grund für
Trübsal.
Ich hatte von Alex eine Nachricht
bekommen, dass sie kurz hinter uns waren und heute bis zu einem Kloster in Hermon gehen wollen. Dies liegt in der Nähe von Padron - irgendwo vorher sollte es einen Abzweig geben. Mir gefiel der
Gedanke, in meiner letzten Nacht vor Ankunft in Santiago in einem Kloster zu übernachten. Noch dazu in der Nacht zu meinem Geburtstag. Das hatte ich bisher noch nicht. Und ich würde Alex
wiedersehen. Es passte irgendwie alles zusammen. Das hieß allerdings, dass ich Antje und Jasmin am Ende des Tages verlassen müsste. Bisher ergab aber alles bisherige einen Sinn, sodass dies jetzt
wohl auch sein sollte. Ich würde dann meine letzte Etappe wieder allein gehen - denn mit Alex könnte ich nicht mithalten.
Die Zeit bis zur Weggabelung
genossen wir - so gut es mit den schmerzenden Füßen halt ging. Jasmin taten ihre Füße wieder weh. Und auch Antje wollte nicht mehr - wie noch heute Morgen - bis Santiago durchlaufen :) Da die
Mädels leider keine Motivations-Lutscher mehr hatten, stimmten sie lustige Lieder an. Unter anderem verstörte mich „Bonbon aus Wurst“ von Helge Schneider. Der Klassiker „Manna Manna ...“ durfte
auch nicht fehlen.
Etwa zwei Kilometer vor der Herberge
der Beiden kam der Abzweig nach Herbon. Es hieß sich zu verabschieden. Es war schade - doch sicher nicht für lange. Noch ein Foto, vielen Dank für die Unterstützung und alles Gute auf dem
weiteren Weg. Dann trennten sich unsere Wege. Der Weg wurde ab jetzt wieder einsam. Kein Pilger vor mir oder hinter mir. Dafür wunderschöne Natur. Ein großer Fluss und eine kleine Brücke. Und mir
wurde bewusst, wie dankbar ich den Beiden war. Sie haben es mir ermöglicht, heute hier zu sein. Und wenn wir morgen alle in Santiago ankommen, gibt's ein großes Wiedersehen. Dann wird gefeiert.
Santiago und mein Geburtstag. Mit Antje und Jasmin, Alex und ihrem neuen Begleiter. Und mit Karen und Sven wird Freitag gefeiert.
Für mich hieß es jetzt
den roten Pfeilen zu folgen. Die waren nicht so zahlreich wie die gelben des Camino. Deshalb verlief ich mich auch irgendwann. Dank Googlemaps fand ich das Kloster allerdings - und dort
waren auch wieder die roten Pfeile. Ich war gegen 15 Uhr da. Die Herberge öffnete gegen 16 Uhr. Kurz vor dieser Zeit traf Alex ein. Wir freuten uns sehr, uns wiederzusehen. Es
war, als träfe man eine alte Freundin, obwohl wir uns erst vor ca. einer Woche kennenlernten. Das ist sowieso verrückt. Wir sind erst heute vor einer Woche in Porto gestartet und mir kommt es wie
eine Ewigkeit vor. Vermutlich, weil zwischenzeitlich so viel passiert ist.
Wir sind ungefähr 20 Pilger im
Kloster. Alles ist recht einfach. Es gibt die Möglichkeit Wäsche zu waschen, zu duschen und zu schlafen. Also alles vorhanden. Internet ist allerdings Fehlanzeige. In den „Zimmern“ befinden sich
Doppelstockbetten. Statt Türen gibt es Vorhänge. Da wir nicht voll belegt sind, habe ich mein „Zimmer“ für mich. Und endlich kommt auch mein Schlafsack zum Einsatz, denn es gibt keine Bettwäsche.
Ich habe das Ding dann wenigstens nicht umsonst mitgeschleppt.
Um 18 Uhr gab es eine Führung durch
das Kloster. Um 20 Uhr war eine Pilgermesse und danach gab es ein gemeinsames Abendessen. Mir fiel auf, dass mich die Führung durch das Kloster mehr berührte als die Messe. Jeder Pilger erhielt
im Anschluss allerdings ein Gebet in seiner Sprache. Und das gefiel mir sehr gut. Es lautet:
Liebe sei dir das Licht der Hoffnung
auf deinem Weg.
In deinem Herzen herrsche
Frieden.
Güte sei das Siegel deines
Lebens.
Der Glaube stärke dich angesichts
des Geheimnisses des Lebens.
Und wenn das Ziel erreicht ist,
umarme dich die Liebe allezeit.
Sei glücklich und mache deine
Mitmenschen glücklich.
Nun liege ich in meinem Zimmer und
schreibe diese Zeilen bevor es morgen nochmal hart wird. Es sollen 28km bis Santiago sein. Das ist mehr, als ich bisher gelaufen bin. Aber ich hoffe, dass mich die Kathedrale und die einstelligen
Kilometersteine ziehen werden. Ich gehe jetzt nochmal fix duschen. Morgen um 7 Uhr ist die Nacht vorbei. Dann gibt's Frühstück und auf geht’s nach Santiago de Compostela.
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Ralf Vatthauer (Mittwoch, 16 Mai 2018 17:23)
Jetzt wo Du in Santiago bist kannst Du ganz entspannt feiern und natürlich auch stolz auf Deine Leistung sein. Wir Karlsruher wünschen Dir Alles Gute zum Geburtstag und viel Gesundheit, damit Du Noch viele Caminos gehen kannst.