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Bom Caminho

Die Nacht war überraschend erholsam. Es wurde kaum geschnarcht und das Bett war doch ganz bequem. Das Frühstück im Hostel war okay. Gegen Viertel nach Neun zog ich los. Ich wollte zu meinem nächsten Hotel und meine Sachen abstellen. Das Zimmer war mit Sicherheit noch nicht fertig. Auf dem Weg dorthin überkam mich das Gefühl, zur Kathedrale zu gehen. So wie ich war. Mit dem Rucksack und dem ganzen Gepäck. Es war jetzt ungefähr die Zeit, zu der Alex, Karen und ich damals losgegangen waren. Ich ging langsam den Berg zu Kathedrale hinauf. Es war ein sehr spezieller Moment. Oben angekommen sah ich einen gelben Pfeil. Er war mir damals gar nicht aufgefallen. Ich beugte mich zu ihm hinunter und berührte ihn. Ich wollte ihm folgen. Erneut losgehen. Gleich jetzt. Alles nochmal erleben. Oder auch gern anders.

Ich stand dort eine Weile an der Stelle, wo wir uns mit Karen und Alex verabredet hatten und schaute auf die Kathedrale. Plötzlich sprach mich eine Frau an. Sie fragte mich, ob ich Pilger sei. Ich sagte ja, aber ich hätte meinen Weg bereits beendet und war nur hier, um noch einmal den Moment zu genießen. Sie war auch den Camino Portugues gelaufen und hatte unterwegs einen Stock gefunden, den sie bis nach Santiago mitgenommen hatte. Jetzt war sie - wie ich - wieder hier und wollte den Stock gern dem nächsten Pilger geben. Er lehnte an der Säule, wo Karen, Alex und ich uns getroffen hatten. Ich war nicht der richtige Adressat für den Stock. Wir wünschten uns einen Bon Camino und die Frau ging davon. Den Stock ließ sie stehen und wer weiß, welcher Pilger ihn wieder nach Santiago führt.
Dann kamen viele Menschen aus der Kathedrale. Vermutlich war gerade eine Messe zu Ende gegangen. Unter ihnen waren drei junge Leute mit Rucksäcken. Ein junger Typ und zwei Mädchen. Sie erinnerten mich an Karen, Alex und mich vor etwa zwei Wochen. Ihre Klamotten waren sauber. Die Rucksäcke ordentlich gepackt und es hingen keine Klamotten draußen dran, um sie unterwegs zu trocknen. Ihr Gang war frisch und ohne jegliches Humpeln. Und sie wirkten aufgeregt und freudig gespannt. Da wurde mir bewusst, wie mich mein Camino verändert hatte. So sah ich vor zwei Wochen auch aus. Jetzt war ich um viele Erfahrungen, Begegnungen, Gespräche, Erlebnisse und Bilder in meinem Kopf, die bleiben werden, reicher. Und die Drei wird ihr Camino auch bereichern - auf ihre ganz persönliche Weise. Denn alle, mit denen ich gesprochen hatte, haben etwas mitgenommen. Jeder erlebt und bekommt seinen ganz eigenen Camino. Die Drei machten noch Selfies mit ihren jungfräulichen Pilgerpässen. Ich machte ein Gruppenfoto für sie. Sie waren aus Tschechien.
Dann ging ich zu meinem Hotel - und sie folgten dem gelben Pfeil.


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